Düster, feuchtwarm und abertausende Mücken – mein Arbeitsplatz

Von Sergej Sperling 5. September 2019

Es ist dunkel, gleichzeitig warm und feucht. Außerdem summt es überall. Es ist dieses unangenehme Summen, welches man von warmen Sommernächten kennt, in denen man mit offenem Fenster schlafen muss. Es sind Stechmücken, tausende, abertausende! Der Alptraum vieler Menschen.

Nein, ich habe mich nicht nachts in einem Sumpf zur Schlupfzeit der Mücken verirrt. Es ist ein Mückenzuchtraum im Labor der Biogents AG in Regensburg.

Es ist nicht Mitternacht, sondern 9:00 Uhr morgens. Der Zuchtraum hat eine invertierte Fotoperiode. Das heißt: Wenn wir Tag haben und draußen die Sonne scheint, haben unsere nachtaktiven Mückenarten Nacht und umgekehrt. Diese Umstellung ist nötig, um mit eigentlich dämmerungs- oder nachtaktiven Tieren vernünftig arbeiten zu können (wer wird schon gerne gestört, wenn man eigentlich schlafen will). In der Natur ruhen diese Mücken tagsüber dann an bestimmten Plätzen (z.B. in Büschen und hohem Gras) und warten auf die nächste Nacht, um sich neue Opfer zu suchen.

Die Mücken sind auch nicht einfach freifliegend, sondern in Haltungskäfigen untergebracht, wo sie nicht über mich herfallen können - zumindest nicht, solange die Käfige geschlossen sind. Plötzlich ein Jucken im Genick. Verdammt, eine Mücke ist wohl doch aus dem Käfig entflohen. Davon habe ich länger etwas. „Bloß nicht kratzen, dann geht’s bald wieder weg“ denke ich nur. Zum Glück passiert das nur selten.

Das Thermometer sagt 27 Grad Celsius und es herrschen 80 % relative Luftfeuchte. Perfekte Bedingungen - zumindest für die Stechmücken der Art Anopheles gambiae. Eine weitverbreitete tropische Mückenart und einer der Hauptüberträger für Malaria in Afrika. Unser Laborstamm ist selbstverständlich nicht infiziert mit dem Malaria-Parasiten. Unangenehm sind die Stiche trotzdem.

Wie kann man es vermeiden, gestochen zu werden?

In unserem Labor testen wir im Auftrag unterschiedlichster Hersteller diverse Anti-Mückenmittel. Häufig testen wir Textilien, die mit abwehrenden Substanzen ausgerüstet sind oder die durchstichsicher sein sollen. Mit Abstand am häufigsten führen wir allerdings Tests von Mückenschreckstoffen durch, sogenannten Repellents.

BG-cage Biogents testet Mückensprays cage test

Diese Repellents enthalten Substanzen, mit denen man Mücken von sich fernhalten kann. Mückenrepellents wirken auch gegen Zecken, allerdings ist die Schutzzeit dann in der Regel kürzer. Ihr kennt diese Mittel bestimmt. Es gibt sie von unzähligen Herstellern in Form von Sprays und Cremes. Diese unterscheiden sich aber teilweise erheblich in ihrer Wirkdauer. Manche Wirkstoffe sind auch für Kinder geeignet und manche „Wirkstoffe“ sind als solche völlig ungeeignet.

Die bekanntesten Wirkstoffe mit bewiesener Wirkung sind DEET, Icaridin, IR3535 und PMD. In unserem Labor können wir die Wirkung dieser Substanzen sehr eindrucksvoll zeigen: Wenn eine Testperson einen Arm mit dem Repellent behandelt und in einen Käfig voller hungriger Mückenweibchen hält, landen höchstens einmal kurz ein paar Mücken, gestochen wird man aber nicht! Wir wiederholen diese Prozedur dann im 30-Minuten-Takt. Bei einem sehr guten Repellent wird die Person nach 6 oder sogar 8 Stunden immer noch nicht gestochen!

Was sind die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Repellent-Wirkstoffe?

DEET ist der am längsten bekannte Wirkstoff – es wurde 1946 vom US-Militär patentiert, aber dann zur allgemeinen Verwendung freigegeben. Es ist rein synthetisch. DEET-haltige Mückensprays oder Cremes schneiden in unterschiedlichen Tests (z.B. Stiftung Warentest) regelmäßig am besten ab. Das liegt hauptsächlich daran, dass DEET die Mücken am längsten fernhalten kann (4 - 8 Stunden, je nach Testszenario und Wirkstoffmenge). Leider ist es kein Wundermittel, es hat einige Nachteile gegenüber den anderen Wirkstoffen. In hohen Konzentrationen kann DEET bestimmte Kunststoffe angreifen. Außerdem kann es Schleimhautreizungen auslösen. Für Erwachsene ist es bei bestimmungsgemäßem Gebrauch, besonders in heißen und feuchten Gebieten wie den Tropen, das Mittel der Wahl.

Icaridin (auch Picaridin oder Bayrepel) ist in seiner Wirkweise und -dauer dem DEET sehr ähnlich. In einigen Tests schnitt es zwar etwas schlechter ab als DEET, wird aber nur in geringen Mengen durch die Haut aufgenommen und kann auch keine Kunststoffe angreifen. Bei Kontakt z.B. mit den Augen und Schleimhäuten kann es Reizungen auslösen und ist daher bei Säuglingen und Kleinkindern weniger geeignet. Für Schwangere ist Icaridin vor allem in den Tropen das Mittel der Wahl.

IR3535 (auch EBAAP) ist fast geruchslos, biologisch schnell abbaubar und ist besonders gut geeignet für Schwangere, Säuglinge und stillende Mütter. Allerdings weist es bei gleicher Konzentration die kürzeste Schutzzeit auf. Für die Tropen ist es daher nicht zu empfehlen, da die Wirkdauerbei hoher Temperatur und hoher Luftfeuchte bereits nach 1 - 2 Stunden verfliegt.

PMD (auch Citriodiol) wurde ursprünglich im Öl des Zitroneneukalyptus entdeckt. Es ist der einzige bekannte „natürliche“ Wirkstoff, der die Schutzzeiten von den bisher erwähnten, synthetischen Substanzen erreichen kann. Hergestellt wird PMD meist aus der chemischen Umsetzung von bestimmten ätherischen Ölen. Die Produkte mit PMD haben of einen citrus-ähnlichen Duft.

Alle anderen Fette oder ätherischen Öle, die als Wirkstoffe in Insektenabwehrmitteln zum Einsatz kommen, wirken, wenn überhaupt, nur sehr kurz (wenige Minuten bis maximal 1 Stunde). Auch wurde bei vielen ätherischen Ölen eine allergene Wirkung nachgewiesen. Ein sorgloser Umgang mit solchen Produkten ist also nicht zu empfehlen.

Für alle Produkte gilt aber: nur richtig angewendet können sie auch schützen.

Warum werden die Mücken durch die Mückensprays abgeschreckt?

Auf die Haut aufgebracht, werden die Mittel teilweise durch die Haut in den Körper aufgenommen und dort abgebaut und ausgeschieden. Ein großer Teil „dampft“ aber nach und nach ab. Es sind weniger diese Dämpfe, die die Stechmücken abhalten, sondern die Mücken werden vor allem nach einem direkten Kontakt mit der Haut abgeschreckt. Es kann also durchaus sein, dass Mücken auf einem landen (ohne zu stechen!), obwohl man ein wirksames Repellent aufgetragen hat.

Die Wirkdauer der einzelnen Substanzen kann von Person zu Person stark variieren. Der Hauptunterschied in der Attraktivität von Menschen auf Mücken liegt in der Zusammensetzung und Menge bestimmter Fettsäuren auf der Haut. Die Wirkdauer hängt aber auch von den physikalischen Eigenschaften der Haut ab. Wenn das Produkt schnell von der Haut verdampft oder stärken aufgenommen wird, dann ist die Wirkdauer dementsprechend geringer.

Aus diesen Tatsachen folgen einige Anwendungsregeln, die man beachten sollte.

  • Mückenabwehrmittel stets lückenfrei auftragen. Nicht behandelte Flächen werden von den Stechmücken gefunden und ausgenutzt:
  • Kann man Mückenrepellents und Sonnencreme gleichzeitig benutzen? Wenn es möglich ist, sollte man das vermeiden. Wenn es aber sein muss, dann zuerst Sonnencreme und nach ca. 20 min das Mückenspray auftragen.
  • Passende und getestete Wirkstoffe wählen. Zwar gibt es wenige unterschiedliche Wirkstoffe, aber viele verschiedene Produkte. Die Stiftung Warentest führt regelmäßig Tests durch, die einen guten Überblick über die Wirksamkeit der verfügbaren Produkte geben.
  • Man sollte sich auch anschauen, welcher Wirkstoff in dem Mittel zu finden ist und sich fragen, ob dieser Wirkstoff für den eigenen Fall geeignet ist. So ist ein Mittel mit DEET oder Icaridin empfehlenswert, wenn man längere Zeit in einer feuchtwarmen Umgebung unterwegs ist. Ein Mittel mit PMD oder IR3535 reicht dagegen oft vollkommen aus, um sich ein paar Stunden stichfrei im heimischen Garten aufhalten zu können.
  • Schutzzeiten beachten: Die Produkte auf dem Markt haben oft dieselben Wirkstoffe, aber in sehr unterschiedlichen Konzentrationen. So weisen Produkte mit einer geringeren Konzentration (oft angegeben mit g Wirkstoff/100 g Produkt) ebenfalls geringere Schutzzeiten auf. Jedoch ist der Grundsatz „viel hilft viel“ auch nicht hilfreich, da es eine Wirksamkeitsgrenze nach oben gibt. Schützt ein Produkt bei einmaliger Anwendung vier Stunden, so wird ein dicht hintereinander folgendes, mehrfaches Auftragen die Schutzzeit trotzdem nicht erhöhen. Vielmehr sollte man nach maximal vier Stunden die Anwendung einfach wiederholen. Zusätzlich bilden die Herstellerangaben oft den Idealfall und damit die maximale Schutzzeit eines Produkts ab. Ein erneutes Auftragen ist oft schon vor diesem Wert empfehlenswert.

Und was ist mit abschreckend wirkenden Armbändern, Aufklebern und ähnlichem?

Aus den oben aufgeführten Gründen können Armbänder und andere kleine „Gadgets“, die man sich an eine Stelle des Körpers klebt oder anzieht, auf keinen Fall den ganzen Körper vor Stichen schützen! Das hindert die Anbieter von solchen Produkten allerdings nicht, sie weiter anzubieten. Auf jeden Fall ist vor einer Benutzung solcher Produkte zur Mückenabwehr abzuraten!

Wir haben solche Armbänder, Patches und Clips auch selbst in unserem Labor getestet. Die Ergebnisse sind eindeutig:

 

 

 

linkedin mail-to

Jetzt abonnieren!